Der krieg, der kommen wird, ist nicht der erste

Ausstellung
[ Mart Museo di Arte Moderna e Contemporanea]

Die Ausstellung DER KRIEG, DER KOMMEN WIRD, IST NICHT DER ERSTE. DER ERSTE WELTKRIEG 1914 – 2014 ist unter der Schirmherrschaft des italienischen Ministerratspräsidiums – Abteilung für Jahrestage von nationalem Interesse, in Zusammenarbeit mit bedeutsamen nationalen Kultureinrichtungen entstanden und ist die tragende Säule des weitreichenden, die drei Standorte des Museums miteinbeziehenden Projekts Mart/Der Erste Weltkrieg 1914-2014, das ein reichhaltiges Rahmenprogramm mit Events, Begegnungen und Tagungen abrundet. Die Ausstellung steht unter der Leitung von Cristiana Collu und wird von Nicoletta Boschiero, Saretto Cincinelli, Gustavo Corni, Gabi Scardi, Camillo Zadra in Zusammenarbeit mit Experten zeitgenössischer Kunstgeschichte kuratiert. Durch untereinander komplementäre Beiträge will die Ausstellung nicht nur einfach Denkanstöße zur Geschichte bieten, sondern einen umfassenderen Überblick über die Aktualität des Konflikts geben, der auch heute noch im Zentrum der zeitgenössischen Debatte steht. Der vor hundert Jahren ausgebrochene Erste Weltkrieg ist einer der dramatischsten und bedeutsamsten Ereignisse der Geschichte und repräsentiert den Ausgangspunkt einer tieferen Untersuchung, die das 20. Jahrhundert durchquert und bis zu den Konflikten unserer Tage reicht.

Das Mart misst sich mit diesem äußerst schwierigen, erschütterten und heiklen Thema nicht nur durch das einfache Erzählen der Geschichte, sondern auch durch eine artikulierte Darlegung einiger es auszeichnenden Wahrheiten. Dieses Projekt verlangte und verlangt nicht nur nach Objektivität und Distanz, sondern auch nach Teilnahme und Klarheit. Es genügt nicht, keinen Krieg zu wollen und den Frieden herbeizuwünschen. Ausgehend vom berühmten Gedicht Bertolt Brechts – "Der Krieg der kommen wird, ist nicht der erste. Vor ihm waren andere Kriege. Als der letzte vorüber war gab es Sieger und Besiegte. Bei den Besiegten das niedere Volk hungerte. Bei den Siegern hungerte das niedere Volk auch." – konstruiert das Museum eine Erzählung, der eine intensive Reise entspringt, die in den Kriegen eines Jahrhunderts beginnt, um sich schließlich in der tragischsten jüngsten Geschichte wiederzufinden.

Die Ausstellung rollt das Thema anhand vielfältiger Gesichtspunkte auf und berührt auch sehr sensible, delikate und mitunter kontroverse Aspekte. Aus dem Ausstellungsrundgang geht der Event als Ergebnis einer Komposition hervor, in der sich Kunst mit Geschichte, Politik und Anthropologie auseinandersetzt. Anhand einer Art komplexer und zeitgebundener thematischer Montage vermeidet es die Ausstellung, einem präzisen chronologischen Faden zu folgen und zeigt - mit ungewöhnlichen Arrangements und semantischen Kurzschlüssen – auf, wie sich alle Kriege gleichen und wie jeder Krieg dennoch anders ist. Damit beabsichtigt man keinesfalls, eine Bestandsaufnahme von gestrigen und heutigen Konflikten zu machen und auch nicht, die unerbittlichen historischen Differenzen abzuerkennen, sondern ist bestrebt – an einem Ort, an dem Erinnerung nicht bedeuten soll, einen Event zu versteinern, zu archivieren und definitiv in sich selbst zu versiegeln, sondern ganz im Gegenteil, Interpretationen und Neuauslegungen zu ermöglichen, die die ganze Komplexität zum Ausdruck bringen – Recherche und Reflexion am Leben zu halten. Die Kunst kommt mit der Alltäglichkeit in Berührung, die Meisterwerke der Avantgarden dialogieren mit der Propaganda, die Ausstellungsgrammatik vervollständigt und erneuert den Wert von Dokumenten, Reportagen und Zeugnissen. Installationen, Zeichnungen, Stiche, Fotografien, Gemälde, Plakate, Postkarten, Briefe, Tagebücher teilen sich über dreitausend Meter Ausstellungsfläche im oberen Stockwerk des Marts und messen sich mit jungen Künstlerexperimenten, Klanginstallationen, Kinoerzählungen in Form von originalen Dokumentarfilmen, Videos und Filmen. Ebenfalls ausgestellt sind zahlreiche Fundstücke aus dem Ersten Weltkrieg, deren Auffinden eines der jüngsten Kapitel eines noch aktuellen Geschehnisses ist, in der jeder Gegenstand seine eigene Geschichte erzählt.

Das vom katalanischen Designer Marti Guixé realisierte Ausstattungsprojekt vermittelt die beiden Seelen – die historische und zeitgenössische – der Ausstellung mit einem Palimpsest, der Wahnsinn, Unordnung, Rhythmus, Licht und Hoffnung zusammenhält. Die Expressionen der Kontemporaneität haben die Aufgabe, die Ausstellungsrunde und die Besichtigungsdauer zu amalgamieren und zu skandieren. Hieraus ergibt sich eine transversale Vision, die die Standpunkte der Geschichte, der Kunst und des zeitgenössischen Denkens, das die Vergangenheit kontextualisiert, berücksichtigt. Eine Erzählung über den Krieg und des Kriegs. Die Ausstattung ist lückenlos aufgebaut, damit der Besucher selbst und frei entscheiden kann, wo beginnen und wie fortfahren. Dies ist für eine so komplexe, bewegende, verstörende und gleichzeitig versöhnende Ausstellung, die den Menschen in Kontakt mit einer seiner innersten und dunkelsten Komponenten bringt, unerlässlich.

DER KRIEG, DER KOMMEN WIRD, IST NICHT DER ERSTE ist eine schwindelerregende Ausstellung, in der thematische Subtexte, Fokuserzählungen und gezielte Ausfälle, ein Sprachengefüge bilden, aus dem wiederholt der Futurismus als roter Faden hervorgeht. Die Ausstellung präsentiert einige historische Meisterwerke aus den Sammlungen des Mart, darunter Werke von Giacomo Balla, Anselmo Bucci, Fortunato Depero und Gino Severini. Eine lange Serie prestigevoller nationaler und internationaler Leihgaben aus öffentlichen und privaten Sammlungen und Galerien runden das Projekt ab. Ferner sind zahlreiche Werke von Künstlern vertreten, die das Drama des Ersten Weltkriegs selbst erlebt haben. Zu diesen zählen, neben den schon genannten Meistern der italienischen Avantgarde, Max Beckmann, Marc Chagall, Albin Egger-Lienz, Adolf Helmberger, Osvaldo Licini, Arturo Martini, Pietro Morando, Mario Sironi sowie Werke von Regisseuren der Zeit wie Filippo Butera, Segundo de Chomón, Abel Gance. Unter den Künstlern, die direkt am teilgenommen haben, ist eine Vertiefung dem tschechoslowakischen Fotografen Josef Sudek gewidmet. Der Krieg wird aber nicht nur als eine in erster Person erlebte Erfahrung erzählt, sondern auch als ein sich wiederholender Gedanke in der Recherche vieler Künstler, darunter Lida Abdul, Enrico Baj, Yael Bartana, Alberto Burri, Alighiero Boetti, Pascal Convert, Gohar Dashti, Berlinde De Bruyckere, Paola De Pietri, Harun Farocki, Yervant Gianikian und Angela Ricci Lucchi, Alfredo Jaar, William Kentridge, Mateo Maté, Adi Nes, ORLAN, Sophie Ristelhueber, Thomas Ruff, Anri Sala, Artur Zmijewski.

Und schließlich ist nach jüngster Restaurierung erstmalig und überraschend das von der Galleria Nazionale d’Arte Moderna von Rom kommende "Guerra-Festa" von Fortunato Depero ausgestellt. Anlässlich der Ausstellung im Mart sind kostbare Archivdokumente, Werke, Plakate und Fundstücke des Ersten Weltkriegs aus dem Museo dell’aeronautica Gianni Caproni di Trento, aus dem Museo Civico del Risorgimento di Bologna, vom Denkmalamt der Autonomen Provinz Trient und vom Denkmalamt für die Provinzen Venedig, Belluno, Padua und Treviso - Collezione Salce – restauriert worden. Der Krieg, der kommen wird, ist nicht der erste. Der Erste Weltkrieg 1914 - 2014 ist ein Projekt des Marts in Zusammenarbeit mit der Abteilung für archäologische Kulturgüter des Denkmalamts der Autonomen Provinz Trient; dem Historischen Kriegsmuseum, Rovereto; dem Geschichtslabor, Rovereto; dem Denkmalamt für die Provinzen Venedig, Belluno, Padua und Treviso; der Abteilung für Literatur und Philosophie der Universität Trient; der Dienststelle für Emigration und internationale Solidarität der autonomen Provinz Trient.

 Quelle: www.mart.trento.it


Organisation: Mart Museo di arte moderna e contemporanea di Trento e Rovereto