U Parrinu

MEINE GESCHICHTE MIT VATER PINO PUGLISI, DER VON DER MAFIA GETÖTET WURDE

von und mit Christian Di Domenico
Regie: Christian Di Di Domenico

Ich bin oft erstaunt, wenn man mir erzählt, dass die Großen, und ich meine die Großen, an einen Ort gegangen sind, der so sterblich ist wie das Meer, zu Leichen von Sündern, die in die Sonne geworfen wurden. Im Sommer vielleicht, in Sizilien, in dieser Hitze der Hölle. Man kann es sich einfach nicht vorstellen. Aber der zukünftige parrinu von Brancaccio in Palermo, der im September '93 von der Mafia vor seinem Haus mit einem Schuss in den Hinterkopf ermordet wurde, ging ans Meer. Denn er war nu parrinu strano.

Nonkonformist. Er trug Hosen. Und er ging mit den Kindern aus den Vorstädten dorthin, damit sie wenigstens einmal nicht auf der Straße spielen mussten.

Hier beginnt die Geschichte von Christian direkt am Meer, auf einer Klippe, genau. Meine Geschichte mit dem von der Mafia ermordeten Pater Pino Puglisi; eine einfache Geschichte, erzählt von einem Schauspieler allein mit na pocu von Musik. Nu ricordu sfumato, das sich durch Fakten der Nachrichten, Politik und Kampf seit jenem ersten Tag auf dem Meer mit den Kindern du parrinu strano con calzoni windet.

Dort erfährt Christian die Ehre der Mafiosi, die von Kindheit an verpflichtet sind, sich bei niemandem zu entschuldigen. Aber der Junge lernt auch die Ehre der Vergebung, die Pino nach San Gaetano in Brancaccio bringen wird, einem Viertel mit der höchsten Mafiadichte in ganz Sizilien, und die er bis zu jenem Tag Mitte September dreiundneunzig immer aufrechterhalten wird.

Ein paar Jahre später kehrt Christian zu dieser Klippe zurück. Und er beginnt von dort, aus seiner Erinnerung heraus, von Pino zu erzählen, dem Freund der Familie, dem Kirchenmann, dem Schulmeister. Der gelernt hatte, im Angesicht des Todes die Gewalt derer zu verzeihen, die dazu nicht fähig waren und die bereits eine Pistole an seinem Hinterkopf hatten. Und er war sich sicher, dass man Vergebung durch Vorleben und Erzählen lehren kann.

"Ich habe viele Kirchenleute getroffen ... und sie sagten mir alle: Mach dir keine Sorgen, Gott vergibt dir.... Ich habe oft daran gezweifelt, dass er jemandem wie mir vergeben kann, was ich getan habe... besonders jetzt, wo ich vielleicht einen Heiligen getötet habe... stellen Sie sich vor... wie groß ist meine Chance auf Vergebung?" (Salvatore Grigoli, Mörder von Pater Pino Puglisi)